Jugend bleibt solidarisch – Jugend braucht Solidarität

 

Schon seit Beginn der Pandemie zeigt sich die Jugend solidarisch. Sie trägt seit über einem Jahr mit, dass so gut wie sämtliche Freizeitmöglichkeiten nicht stattfinden: Disco, Club, Schwimmbad, Kino, sich draußen treffen, Partys feiern, Angebote im JUZ oder bei Sportvereinen. Diese Einschränkungen betreffen natürlich nicht nur Jugendliche und junge Erwachsene.

ABER: für Erwachsene ist es möglich 1-2 Jahre auf das alles zu verzichten. Es fällt zwar schwer, aber es verhindert keine notwendige Entwicklungsaufgabe.

 

Jugend hat die wichtige Lebensaufgabe der Identitätsfindung. Politische Meinungen und ethische Grundüberzeugungen werden in dieser Lebensphase genauso gebildet wie Beziehungsmuster in Partnerschaften und Freundschaften. Wir dürfen als Gesellschaft nicht leichtfertig

mit diesen Entwicklungsaufgaben umgehen. Sie sind nicht „nice to have“. Sie bilden das Fundament, das jeden Menschen ein Leben lang

trägt und begleitet. Natürlich war und ist es wichtig, Risikogruppen zu schützen. Die jungen Menschen leisten einen großen Beitrag dazu.

 

Es ist aber auch wichtig, der Jugend ihre Entwicklungsaufgaben zu ermöglichen. Leider sind es aber hauptsächlich ökonomische Motive,

die die aktuellen Lockerungen leiten. Dabei sollte mittlerweile klar sein, dass ökonomische Entwicklung nur nachhaltig gedacht für die Gemeinschaft nützlich ist. Nur die zu retten, die am lautesten Jammern, greift zu kurz.

 

Wenn wir die Folgekosten der Pandemie in den Blick nehmen, dann zeigt sich die Notwendigkeit, die jungen Menschen nicht zu vergessen.

Psychische Belastungen fallen dabei genauso ins Gewicht wie Schwierigkeiten bei der Wahl der Ausbildung. Defizite in der Identitätsbildung stehen neben Vereinzelung und Vereinsamung. 

 

Wie kommt es also, dass ein so existentieller Aspekt völlig aus der Wahrnehmung geraten ist?

Nach den Schulschließungen war der Fokus der Politik auf dieses Thema gesetzt. Das ist natürlich soweit auch richtig. Allerdings hat sich die Erkenntnis, das 70% der Bildungsprozesse außerhalb der Schule stattfinden[1], nicht in der Politik festsetzen können. Diese Bildungsprozesse finden zu großem Teil in der Peergroup, in Vereinen und bei Angeboten der Jugendarbeit statt. Gerade Identitätsbildung und Demokratiebildung sind zwei Säulen, auf die unsere Gesellschaft nicht verzichten sollte. Aktuell erleben die jungen Menschen ihre Demokratie als sehr übergriffig und reglementierend. Diesem Eindruck müssen wir durch partizipative Ansätze entgegen wirken.

 

Wir fordern deshalb eine konkrete Perspektive für Angebote der Jugendarbeit und für Freiräume für junge Menschen. Leider bleibt es von Seiten der Landesregierung bei Lippenbekenntnissen und Schnellschüssen. Wir brauchen keine zusätzlichen Streetworker – Wir brauchen einfach nur die Möglichkeit, bestehende Angebote der Jugendarbeit durchführen zu können.

 

Scheinbar war es ein Versehen, dass mit der 12. Infektionsschutzverordnung in Bayern nicht nur Erwachsenenbildung möglich wurde, sondern auch „sonstige außerschulische Bildungsangebote“ und dazu auch die Jugendarbeit gehört. Laut SGB VIII ist Jugendarbeit eindeutig Bildungsarbeit. Deshalb berufen wir uns auf die 12. Infektionsschutzverordnung und machen Jugendarbeit in Präsenz – bis zu einer Inzidenz von 100 – möglich. Die Hygienekonzepte in der Jugendarbeit sind tragfähig und das Risiko damit überschaubar. Zumindest ist uns der Preis, die Jugend alleine zu lassen, viel zu hoch.



[1]  vgl. Fehrlen/ Koss: Bildung im Alltag der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Empirische Studien, 2009, S. 10/ 11